Max Brod (1884 - 1968)
Wenn man in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts fragte: „Wer ist denn Franz Kafka?“ erhielt man zur Antwort: „Das ist ein Freund des berühmten Max Brod“. Heute ist es umgekehrt: Brod ist ein Freund des berühmten Franz Kafka. Max Brod ist fast ganz hinter dem Freund, dessen Werk ohne ihn verschollen und vergessen wäre, verschwunden. Das ungerechte Ergebnis einer selbstlosen Tat.
Max Brod war vor und nach dem ersten Weltkrieg einer der bekanntesten deutschsprachigen Schriftsteller. Sein Ruhm war nur zu vergleichen mit dem seines Freundes Stefan Zweig, der heute noch viel gelesen wird, und dem seiner Entdeckung Franz Werfel, auch er ein Prager deutscher Jude wie Brod und Kafka. Schon 1906 mit 22 Jahren erregte Brod die Aufmerksamkeit der Berliner Kritik mit seinem Novellenband „Tod den Toten“. Sein Roman „Schloß Nornepygge“ wurde 1908 enthusiastisch gefeiert und sein kleiner Roman „Jüdinnen“ erreichte 1909 innerhalb weniger Monate vier Auflagen. Da hatte der um ein Jahr ältere Franz Kafka noch nichts publiziert.
Nach 1918 spielte Max Brod eine wichtige Rolle im Jüdischen Nationalrat, den der Präsident der eben errichteten Tschechoslowakischen Republik, der Philosoph Tomas Garrigue Masaryk, eingesetzt hatte. Als Zionist, der wohl kaum nach Palästina gegangen wäre, hätten ihn die Nationalsozialisten nicht gezwungen, vertrat er nicht nur die Interessen der jüdischen Bevölkerung Prags; immerhin bestand die kleine deutsche Minderheit in Prag, etwa 5 Prozent der Bevölkerung der Stadt, zu fast Zweidritteln aus Juden. Brod war auch ein Vermittler zwischen den drei Nationen Prags: den Juden, den Tschechen und den Deutschen. Und das gibt ihm seine einzigartige Bedeutung über sein eigenes Werk hinaus.
Als Redakteur des „Prager Tagblatts“, einer der angesehensten deutschsprachigen Zeitungen, besprach er nicht nur die deutschen Kulturveranstaltungen Prags, sondern in gleichem Maße die tschechischen, was damals nicht selbstverständlich war. Er entdeckte und förderte nicht nur die deutschen Dichter Franz Werfel und Franz Kafka, sondern auch den großen tschechischen Komponisten Leos Janacek und den genialen Autor Jaroslav Hasek. Als Hasek von der tschechischen Kritik als vulgärer Witzereißer noch nicht ernst genommen wurde, setzte sich Max Brod bereits für ihn ein. Er trug mit seiner Dramatisierung des „braven Soldaten Schwejk“, die Piscator in Berlin aufführte, zum Durchbruch bei: Hasek wurde weltberühmt, wenn er das auch nicht mehr erleben durfte. Janacek dagegen konnte seinen Ruhm noch genießen. Max Brod hatte die Libretti seiner Opern ins Deutsche übersetzt und ihnen so zum Erfolg auf den Wiener, Berliner und Dresdner Bühnen verholfen.
Brod, der selbst bemerkenswerte Kompositionen schrieb – eine CD der Prager „Supraphon“ hat einige vorgelegt - , war auch mit den tschechischen Komponisten Josef Suk und Jaroslav Kricka bekannt, deren Schaffen er förderte. Seine Freundschaft mit dem Regisseur und Dramaturgen Jaroslav Kvapil führte ihn in die tschechischen Theaterkreise; die deutschen waren ihm eh geläufig: das Prager Deutsche Theater führte seine Stücke auf. So kann Brod als eine Personifikation des trotz gelegentlicher Spannungen friedlichen Zusammenlebens der drei Prager Nationen gelten, ein Vorbild für uns heute als Förderer und Vermittler, vor allem in den deutsch- tschechischen Beziehungen.
Als Autor und Komponist wartet er auf eine Wiederentdeckung. Dass ein deutsch- tschechisches Trio sich nach ihm benennt, darf als schönes hoffnungsvolles Zeichen gelten.
Prof. Dr. Hans Dieter Zimmermann
Geschäftsführender Herausgeber der Tschechischen Bibliothek in deutscher Sprache